Bräuche der Krammerer Zeche

Tanz auf einem Bauernhof

Um das Gemeinschaftswesen aufrechtzuerhalten, trafen sich die Burschen und Mädchen meist einmal in der Woche auf irgendeinem Bauernhof. Weniger im Sommer, da es zu dieser Zeit meist viel Arbeit gab, sondern in der arbeitsschwachen Zeit des Winters. In der "Stubn" wurde dann meistens getanzt, was natürlich sehr wichtig war, denn man mußte ja in Übung bleiben, damit man auf Hochzeiten, Kirtagen etc. beim Landler nicht "patzte". Die Musik (Gitarre und Zither) wurde von den Zechenmitgliedern selbst gemacht. Auch für das leibliche Wohl war gesorgt. Zu trinken gab es, Äpfel, gedörrte Zwetschken, Brot oder auch etwas Gebackenes wie z.B. "Bofesn" oder "Straubn". Neben dem Tanz gab es auch noch viele lustige Spiele wie "Stockschlagen", "Fußhackln", "Fingerhackln", "Gesellenvertauschen" und jede Menge andere, die alle zum lustigen Beisammensein beitrugen.
Da die Bauernstuben sehr groß waren, war es auch möglich, daß öfters 20 bis 30 Leute beisammen waren, da aber dies nur die Mitglieder einer Zeche waren, fehlten auch die sonst üblichen Raufereien. Im großen und ganzen kann man auf jeden Fall sagen, daß dies eine schöne und billige Art der Unterhaltung war.
Für jeden Bauern war es natürlich eine Ehre, wenn die Zeche zu ihm auf Tanz kam. Besonders erfreut waren natürlich jene Bauern, die viele unverheiratete Töchter zu Hause hatten.

Riadtag

Zu bestimmten Anläßen wie Roßmarkt, Faschingdienstag oder anderen Feierlichkeiten, zogen die Zechen, die Bauern und auch die anderen Leute in die Bezirkshauptstadt Ried im Innkreis, im Volksmund auch "Riad" genannt. In Ried wurde dann in den Gasthäusern fest getanzt und gezecht.

Als ehemaliges Mitglied der Krammerer Zeche weiß Josef Stöger, bekannt unter dem Namen "Beringer Sepp" (jetzt wohnhaft in Ried) folgende Geschichte zu erzählen, die sich anläßlich eines solchen Riadtages abspielte:
Es war am Weißen Sonntag des Jahres 1922, als sich mehrere Burschen aus Krammern und Umgebung abends beim Gasthaus "Zur Hölle" in Ried trafen, darunter auch Mitglieder der Krammerer- und Steinbodnerzeche, die nicht sehr gut aufeinander zu sprechen waren. Unter den Anwesenden in der Gaststube befanden sich unter anderen: Johann und Max Seifried, Dickensöhne aus Krammern, Stöger Josef (der Erzähler der Geschichte) vom Bergergute in Krammern, Karl, Michael und Franz Leitner, Grubersöhne in Irger, Johann Willinger vom Bangerlgut in Frauenedt sowie Johann Stockinger von Haderhub.
Die Mitglieder der beiden Zechen begannen, sogenannte "Trutzgstanzln" zu singen. Es kam jedoch zu keinen handfesten Auseinandersetzungen. Schon wollte man gemeinsam nach Hause aufbrechen, als plötzlich zwei Polizisten in der Gaststube erschienen und die Anwesenden aufforderten, auf die Wachstube mitzukommen. Da sich keiner irgendeines Vergehens bewußt war, kam niemand dieser Aufforderung nach. Die Polizisten versuchten daraufhin, Franz Leitner mit aufs Kommissariat zu nehmen, was wiederum die anderen Zechenmitglieder zu verhindern trachteten.

Nun zog einer der Polizisten - man befand sich inzwischen am unteren Hauptplatz - den Säbel, um damit seine Autorität zu demonstrieren. Dabei kam Stöger einem der Polizisten etwas zu nahe, so daß ihm die Säbelspitze die Nase spaltete. Das wiederum veranlaßte Michael Leitner, dem Polizisten den Säbel aus der Hand zu winden, diesem über dem Knie auseinanderzubrechen und in den Stadtbrunnen am Hauptplatz zu werfen.

Der ganze Vorfall hatte allerdings noch ein sehr unangenehmes Nachspiel. Am nächsten Morgen wurden nähmlich Karl und Franz Leitner sowie Josef Stockinger ins Bezirksgerichtsgefängnis eingeliefert, wo sie mehr als eine Woche verbleiben mußten. Auch die Gemeinde Andrichsfurt schaltete sich ein. Es kam zu einer Gerichtsverhandlung, bei der die Brüder Leitner - dank eines befreundeten Anwaltes - freigesprochen wurden. Josef Stockinger erhielt eine bedingte Strafe.

Wie sich übrigens später herausstellte, war es der damalige Besitzer des Gasthauses "Zur Hölle", der die Polizei gerufen hatte. Dieser war vor dem Ersten Weltkrieg Knecht in Irger und Mitglied der Steinbodner Zeche gewesen. Aus irgendwelchen Gründen wurde er jedoch entlassen und verlor damit auch die Mitgliedschaft bei der Zeche. Dies konnte er nicht vergessen und versuchte sich nun zu rächen, indem er die in der Gaststube anwesenden Mitglieder seiner früheren Zeche bei der Polizei "anzuschwärzen" versuchte.

Ein großes Ereignis für eine Zeche war die Hochzeit eines Zechenmitgliedes. Hier wurden von der Zeche natürlich viele Vorbereitungen getroffen. Eine solche Bauernhochzeit war bei uns immer am Dienstag. Am Sonntag vorher war das "Hochzeittragen" und das sogenannte "Hofrechten". Am Montag war das "Fertigungsfahren".

Hofrechten:

Vergleichbar mit dem heutigen Poltern. Die Zechbuam und die Dirndln gingen zum Hof des Bräutigams um zu Essen ( Schnitzel, Mehlspeisen wie "Affn", "Butterstangl" und "Bachta"). Aus Anlaß dieses Hof rechtens gab es natürlich auch Tanz.
Dem Bräutigam, der nun aus der Zeche ausschied wurde von seinen Zechkameraden eine Stubenuhr (Pendeluhr ) gekauft.
(Anm.: auch bei der heutigen Krammerer Zeche ist es Brauch, einem Zechenmitglied zur Hochzeit eine Pendeluhr zu schenken)

Fertigungsfahren:

Die Braut und die Aussteuer der Braut (dazu zählte meist auch eine gute Kuh) wurde mit einem Leiterwagen vom Hof der Braut zum Hof des Bräutigams gefahren.

Weg absperren:

Bei diesem Fertigungsfahren durfte von Jedermann die Straße mit einem Seil abgesperrt werden. Die Braut zahlte dann freiwillig Lösegeld.

Hochzeitschießen:

Dies wurde am frühen Morgen des Hochzeittages gemacht. Verwendet wurden dazu "Preßschlüsseln", Holzpfropfen und Schwarzpulver. Anschließend gab es dann eine Jause bei der Braut oder beim Bräutigam.

Nach der Trauung in der Kirche begab man sich zum "Straßer Wirt". Waren nun die Zechen am Gasthof angekommen, wurden sie von der Musikkapelle empfangen und zum Tanzboden hinaufgeleitet. Hier wurde nun die Tanzreihenfolge festgelegt. Es war natürlich üblich, daß die ortsansässigen Zechen am Anfang tanzten. Die Krammerer als die ältesten, waren in diesem Fall natürlich die ersten. Die auswärtigen Zechen mußten sich beim sogenannten "Tanzmeister" anmelden und tanzten dann nach der Reihenfolge der Anmeldungen.
Es tanzte dann jede Zeche ihren eigenen Landler (Die Musik bleibt bei den Landlern immer gleich, nur die Tanzform ist verschieden, je nach der Eicht). Wenn die Zeche ihren Landler tanzte mußte der Zechmeister schauen, daß ja kein Mädchen auf ihrem Tisch sitzenblieb. Erst wenn alle Mädchen der Zeche einen Tanzpartner hatten, durften sich die Zechbuam um die Mädchen der auswärtigen Zechen umsehen. Natürlich mußte man bevor man Tanzen ging den jeweiligen Zechmeister um Erlaubnis fragen, sonst provozierte man eine Rauferei.

Die Kranzljungfrau, die Braut und das Brautweib tanzten bei jeder Zeche mit. Konnten die Mädchen aber die verschiedenen Landler? Nun, es mußte der Zechbua den Tanz so gut beherrschen, daß er jedes Mädchen bei seinem Landler gut führen konnte.

Es gab aber auch Tänze, wo alle Gäste mittanzen konnten, dies war die sogenannte Hochzeiteicht, die der Brautführer anschaffte und dafür auch die Musik bezahlte, denn es mußte ja jeder Tanz bezahlt werden. Wenn eine Zeche tanzte war es üblich, daß die Musik nach der zweiten Eicht zu spielen aufhörte und ein Musiker rief :
      "Halb ab" -
ein Musiker sammelte sodann von den tanzenden Zechbuam Geld ein, anschließend spielte die Musik weiter.

Weiters gab es noch den Brauttanz, der ein Walzer war. Hier wurden meist einige Gstanzln gesungen. wie z. B.:
    
Die Braut die hat geheirat
und iazt is ihr Freud aus
und iazt kimmt ihr koa
junga Bua mehr ins Haus.

Her über d' Felder
und her über d'Au
dö schöna auf da Hochzeit
is dö Kranzljungfrau.
    
Brautstehlen:

Die Zechenmitglieder gingen mit ihren Dirndln, mit der Kranzljungfrau, dem Brautführer seiner Frau und natürlich mit der Braut in das Nebenzimmer des Gasthauses.
Dort wurde dann das Brautlied gesungen und anschließend Wein getrunken. (Es konnte schon einmal vorkommen, daß eine große Zeche ca. 50 l Wein trank). Dazu wurde meistens mit der Gitarre gespielt und gesungen.

Nach einer bestimmten Zeit holte der Brautführer mit der Musikkapelle die Braut zurück. Den Wein und die Musik hatte natürlich der Brautführer zu bezahlen.

Wenn die Braut und der Bräutigam auch schon heimgingen, zechten jedoch die Zechen meist noch fest weiter, manchmal sogar bis 4 Uhr in der Früh.

Ball:

Auf einem Ball war es meistens so, daß es zwei Tanzböden gegeben hat, und am ersten wurden dann meist nur Landler getanzt. Es tanzte auch hier die Zeche nur einmal ihren Landler.
Auf einem Ball gab es natürlich auch die selben Tanzvorrechte wie z. B. auf einem Nachkirtag oder auf einer Hochzeit. Auswärtige Zechen mußten sich auch hier beim Tanzmeister (Jungfrauenweiser) anmelden.

„Zamzahlen“:

 Die Zeche die auf einem Ball immer auf einem langen Tisch zusammensaß, machte stets gemeinsame Rechnung. Die Zechbuam warfen zu diesem Zweck gleich am Anfang Geld auf ihrem Tisch zusammen (Ungefähr den Gegenwert von 1 l Bier), welches der Zechmeister in Verwahrung nahm und mit dem dann die Getränke bezahlt wurden.

 Nach einem Ball ging man immer gemeinsam nach Hause, da man meistens auf einen "Raufhandel" gefaßt sein mußte. Den älteren Zechenmitgliedern stand es dann immer zu, die Mädchen (Mentscher) nach Hause zu begleiten.

Sonnwendfeuer:

Das Sonnwendfeuer entzündete die Krammerer Zeche jährlich am 24. Juni auf der "Stelzer Höhe", einem größeren Hügel zwischen Krammern und Andrichsfurt. Verbrannt wurde nur Reisig, welches im nahegelegenen Hochholz gesammelt wurde.
Nach dem "Feuerspringen" war es üblich, daß man zum "Forster", dem Bauern auf der Stelzer Höhe ging, ein Faß Bier anschlug und tanzte.

Maibaumaufstellen:

Es war üblich., daß jährlich am 1.Mai von der Krammerer Zeche ein Maibaum aufgestellt wurde. Ende April trafen deshalb die Burschen der Zeche mit ihren Mädchen beim "Grafwirt", dem Stammgasthaus der Krammerer zusammen, wo man den Baum für das festliche Ereignis schmückte.

Am 1. Mai wurde der Baum in einer kleinen Feier vor dem Grafwirt aufgestellt. Zu diesem Anlaß verkauften die Zechbuam Maibaumlose. Dieses Geld kam natürlich der Zechenkasse zugute. Der Höhepunkt war das Maibaumkraxeln, wo die jungen Burschen ihre Klettergeschicklichkeit unter Beweis stellen konnten. Nachher gab es Tanz beim Grafwirt.

Der Maibaum durfte von anderen Zechen gestohlen werden, und zwar die ersten 3 Tage und die letzten 3 Tage im Mai.

Es war für die Zeche natürlich eine große Blamage, wenn ihnen ihr Maibaum gestohlen wurde, deshalb wurde er an diesen Tagen unter strenge Bewachung gestellt. Passierte es aber trotzdem, daß der Maibaum entwendet wurde, so mußte er mit einem Faß Bier ausgelöst werden.

Preistanzen:

Dieses Preistanzen kam erst in neuerer Zeit auf, das hatte es vorher nie gegeben. Hier ging es darum, daß eine Zeche vor einer Jury ihren Ländler tanzte, der nach bestimmten Richtlinien wie Gesang, Schritt auch bei den Dirndln, Ausführung und Gesamtbild bewertet wurde. Man kann hier sicher geteilter Meinung sein und der Vollständigkeit halber möchte ich noch sagen, daß die Krammerer Zeche an einem derartigen Preistanzen nicht mehr teilgenommen hat.